Hört man bzw. denkt man an Südkorea und den dort vorherrschenden Schulalltag, denkt man sogleich an etliche Stunden, in denen unentwegt gelernt wird. Fakt ist, dass dies tatsächlich gar nicht so weit hergeholt ist. Aber hinter einem typischen Schulalltag steckt noch so viel mehr, als bloß das Lernen – und was das betrifft, haben wir hier ein ganz bemerkenswertes Land vor uns, das diese Dinge zu perfektionieren weiß…
Sujin und Tina haben gleichsam aufgelistet, wie für sie ein ganz typischer Schultag in etwa aussieht. Das Ergebnis zeugt nicht nur davon, wie unterschiedlich sich die einzelnen Schulsysteme sind, sondern was für einen Bezug zum Lernen die Koreaner im Gegensatz zu uns simpel gesagt haben. Die Uhrzeiten habe ich etwas gerundet.
Sujin (14 Jahre alt)
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Tina (14 Jahre alt)
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06:30 Uhr | aufstehen & fertig für die Schule machen | aufstehen & fertig für die Schule machen |
07:20 Uhr | zur Schule laufen | mit dem Bus zur Schule fahren |
07:40 Uhr | in der Schule ankommen | in der Schule ankommen |
14:30 Uhr | 6te Unterrichtseinheit beginnt | Schule endet – Volleyball im Turnsaal proben |
16:00 Uhr | Schule verlassen | Schule verlassen |
16:30 Uhr | im Hagwon ankommen (hier mehr dazu) | nach Hause kommen, im Haushalt helfen |
18:30 Uhr | während der Pause schlafen im Hagwon | Abendessen, danach fernsehen gucken |
20:00 Uhr | nach Hause kommen und etwas essen | Hausaufgaben machen |
20:30 Uhr | Freizeit; Bloggen, Chatten, Videospiele | Freizeit; Bloggen, Chatten, Videospiele |
21:00 Uhr | Englischnachhilfelehrer ist da | |
22:30 Uhr | ins Bett gehen | |
23:00 Uhr | Hausaufgaben machen, Musik hören | Schlafen |
01:00 Uhr | ins Bett gehen |
In anderen Worten lässt sich hier festhalten, dass die Koreaner einfach das Powernapping perfektioniert haben. Ein dort sehr bekanntes Sprichtwort besagt: Schläfst du nachts 4 Stunden, gehst du später ins College. Schläfst zu 5, wirst du es nicht tun. Eltern geben daher eine Unmengen an Geldern aus, ihre Kinder zusätzlich zur Schule noch privat unterrichten zu lassen. Dass ein Kind daher trotz dem Hagwon noch einen eigenen Nachhilfelehrer hat, ist das ebenfalls keine Seltenheit.
Nicht zuletzt deshalb leiden die koreanischen Kindern oft an Depressionen, weil sie kaum Freizeit haben und von ihren Eltern nachgiebig unter Druck gesetzt werden.
Der Tumblr-Blog Korean Students Speak ist ein Projekt, das vor Jahren ins Leben gerufen wurde. Solche Botschaften sind zwar nicht die Hauptbotschaft, die man unter den hunderten, wenn nicht tausenden von Bildern findet, aber sie tauchen immer Mal wieder auf. Meistens schreiben die Schüler davon, eine bestimmte Band treffen zu wollen oder was sie später beruflich machen möchten. Oft taucht auch immer wieder der englische Satz I can do it auf.
In der Zeit bis hin zum College haben die koreanischen Schüler tatsächlich die härteste Zeit vor sich. Erst, wenn sie den Suneung hinter sich gebracht haben und damit in die nächste Etappe ihres Lebens treten, gehen sie vermehrt ihrer Freizeit nach und nutzen Studienräume eher, um in Ruhe an ihrem Smartphone zu hängen und sich in Kakaotalk mit den Freunden auszutauschen.
Da die Schulzeit in der High School am prägendsten ist, handelt dieser Artikel auch hauptsächlich davon. Wer sich leicht mit der englischen Sprache tut, kann sich gerne dieses Video ansehen, das einen großartigen Einblick in das koreanische High School Leben bringt:
Kelley ist von Amerika nach Korea gezogen, um hier am College zu studieren. Mit eigenen Worten erklärt sie die Motivation zu diesem Video: „In sechzig kurzen Jahren ist es Südkorea gelungen, von einem der ärmsten Länder Asiens ist zu einem, welches die dreizehntgrößte Wirtschaft weltweit hat, zu werden. Koreanische Schüler haben einige der höchsten Testergebnisse der ganzen Welt und eine höhere Aufnahmeraten in der amerikanischen Ivy League, als alle anderen fremden Länder. Aber Korea führt auch die Welt in zwei nicht ganz so atemberaubend Möglichkeiten an; der höchsten Rate der plastischen Chirurgie pro Kopf und eine höhere Suizidrate, als jede andere Industrienation. So viel dazu. Wie lebt es sich für einen koreanischen Studenten? In einer der wettbewerbsfähigsten Gesellschaften der Welt? Wie findet man seinen Platz? Was braucht es, die eigenen Wünsche und Ziele zu erreichen? Diese Dokumentation wird auf das Leben von fünf koreanischen Jugendlichen eingehen, die am Rande davon stehen, ihre Träume zu erreichen – oder platzen zu sehen. Der Film wird den Studenten während der anstrengendsten Zeit ihres Lebens und damit ihrem letzten Jahr an der High School folgen.“ Nicht zuletzt wegen dem vielen Lernstress werden die Schüler oft spätestens nach der High School von ihren Eltern mit einer teuren Schönheitsoperation belohnt – und auch darauf geht Kelly in dieser kurzen Dokumentation ein.
Während man also nicht nur sagen kann, dass die koreanische Schulzeit stark vom Lernstress geprägt ist, besteht eines der größten Probleme vermutlich darin, dass sie untereinander ständig konkurrieren. Wer ist der/die Hübscheste und wer ist der/die Hässlichste in der Klasse / im Freundeskreis / im Kreis der Personen, mit denen man gerade unterwegs ist; ständig wird so ein kurzlebiges Spiel begonnen, immer wieder hört man diese Fragen und macht sich bereits im frühen Alter von gerade einmal 12 bis 14 Jahren Gedanken darüber, was man alles an seinem Körper ändern möchte. Zu einer Zeit, in der dieser noch gar nicht vollständig biologisch ausgereift ist. Operationen folgen dann in einem ebenso jungen Alter von gerade Mal 17 Jahren, denn die Schönheitsideale kennen oftmals keine Grenzen. Und dennoch… ist der harte Weg durch die Schulzeit erst einmal überstanden, beginnt für die Koreaner so gesehen erst das richtige Leben. Dann fällt der Lernstress von ihnen ab und selbst wenn sie in ihrem Arbeitsleben noch immer stark eingedeckt sind, lässt der enorme Lerndruck spätestens hier schließlich auch nach.
Um 8:30 Uhr beginnt der Unterricht. In der Regel endet dieser zwischen 16 und 17:15 Uhr.
Sobald es tagsüber zum Essen in die Cafeteria geht, zeigt sich, wie verbunden die Schüler mit den Lehrern sind. Allgemein wird in einer gemeinsamen Halle gespeist, Schüler und Lehrer stehen gleichsam in Schlangen an, um sich geordnet ihre Löffel, Stäbchen und Tabletts zu holen.
- Kein Schüler bringt hausgemachte Lunchboxen mit. Jeder besucht die Cafeteria.
- Reis, Kimchi und Suppe sind fixe Bestandteile der Schulmahlzeiten.
- In der Regel gibt es Montags oft Fisch und Mittwochs meistens Früchte oder statt dem weißen Reis auch ein gemischter Reis. Manchmal gibt es auch etwas Süßes, wie etwa einen Joghurtdrink am Mittwoch.
Egal, in welche Schule man geht, die Tabletts bestehen immer aus drei kleineren Ablagen und zwei großen. Setzt man sich an den Tisch, befinden sich die drei kleineren oben, sodass sich Reis und Suppe direkt über dem Essenden befinden.
Jeder erste und dritte Samstag im Monat bedeutet Schule!
Aber nicht im herkömmlichen Sinne, die Schulen haben an diesen Tagen Clubaktivitäten. Jeder Schüler tritt einer Gruppe seiner Wahl bei. Sei es nun Kendo (eine japanische Kampfkunst, die auch in Korea weit verbreitet ist), der Gartenclub oder etwas ähnliches – die Möglichkeiten sind weit gestreut. Die Clubaktivitäten selbst gehen jedenfalls bis in den Abend.
Zur Schule gelangen die Schüler im Übrigen über verschiedene Möglichkeiten. Während sie zwar durchaus Busse, U-Bahnen und Taxis verwenden, laufen sie alles zu Fuß, soweit es geht. Eigene Schulbusse in dem Sinn gibt es nicht.
Sporthallen gibt es an koreanischen Schulen eher selten, da der Sportunterricht bis zur Universität auch eher flach fällt. Es gibt auch selten einen Vortagssaal; bei Großveranstaltungen wird oft eben Mal das nächste Kulturzentrum aufgesucht, das zuvor extra dafür gebucht wurde. Da es bis zur Universität oftmals keinen Sportunterricht im herkömmlichen Sinne gibt, existieren an der Schule auch keine Sportteams. Wer Fußball spielen möchte oder Taekwondo betreibt, muss dies im privaten Rahmen tun.
Beinahe jede Schule geht über 4 bis 5 Stockwerke und grenzt an ein Sportfeld an. Dieses findet vor allem am landesweiten Sports Day dann eine Verwendung, wenn der gesamte Platz zum Schauplatz eines regelrechten Feiertags wird.
In den Schulfluren gibt es keine Spints. Schränke für die Schuhe befinden sich in der Klasse. Hier können unter anderem auch Schulbücher aufbewahrt werden – so, wie es eben jeder handhaben möchte.
Im Winter sind nur die Klassenräume beheizt, während es am Schulflur durch geöffnete Schultore relativ kalt bleibt. Die Lehrer teilen sich ein gemeinsames Klassenzimmer und jede Klasse hat ihren fixen Raum, in den dann unterschiedliche Lehrer für die Einheiten kommen.
Reinigungspersonal gibt es in koreanischen Schulen zwar schon, aber das säubern der Klassenräume übernehmen die Schüler selbst. Das Personal selbst ist lediglich für die Sanitärräume und für all die anderen öffentlichen Bereiche der Schule zuständig.
Zum Säubern der Klassenzimmer gehört neben dem Fenster putzen und dem Müll rausbringen auch das Wischen des Bodens und das Putzen der Tische.
Es gibt in jeder Klasse natürlich einen Klassensprecher, der für viele wichtige Dinge zuständig ist. Unter anderem umfasst das die große Aufgabe, dass diese Säuberung gut über die Bühne geht. Der oder die bringt oftmals auch die Hausaufgaben zum Lehrer und steht zum Beginn des Unterrichts auf, um den Lehrer zu begrüßen. Selbiges geschieht dann natürlich auch am Ende der Stunde. Zudem ist der Klassensprecher eine wichtige Vermittlungsperson zwischen den Mitschülern der Klasse und dem Lehrpersonal.
Bis zur High School wird Englisch als einzige Fremdsprache gelehrt. Erst ab dieser Schuletappe ist es den Schülern möglich, einen eigenen Sprachwunsch zu wählen – beliebt ist hier vor allem Japanisch als Drittsprache.
Es gibt kaum freie Schultage.
Das Schuljahr geht von März bis Februar mit einer etwa einmonatigen Pause zwischen den Semestern. In jener freien Zeit ist es nicht unüblich, dass die Kinder in gewisse Lerneinrichtungen geschickt werden, um über diese Zeit hinweg dennoch nicht aus dem Lernen rauszukommen.
Trotz allem gibt es zwei Feiertagszeiten, zu denen die Schüler zwischen 3 bis 5 Tage frei bekommen; Chuseok und Seollal. Auf Deutsch das Erntedankfest und das Mondneujahr.
Einen Abschlussball gibt es keinen, stattdessen unternehmen die Schüler nach ihrem Abschluss der High School Trips nach Japan oder während der Mittelschule einen Ausflug nach Jeju Island – mit der ganzen Klasse versteht sich. Teilzeitjobs sind unter den Schülern außerdem nur dann gern gesehen, wenn sie berufsbildende Schulen besuchen.
Zum krönenden Abschluss erzähle ich euch nun noch, was sich in der Regel durch den langen Tag, die Koreaner unterwegs sind, in ihren Taschen befindet: Handyladekabeln, grundlegende Toilettartikeln (um sich bei jeder Gelegenheit die Zähne putzen zu können -> scharfes Essen lauert schließlich überall), Bürsten, Miniglätteisen, Make Up, Hausschuhe, Nackenkissen und manchmal sogar dünne Decken und Sitzkissen. Selten sogar noch ein Bestecksatz, falls sie sich ins Hagwon oder irgendwohin (außer zur Schule, da werden keine Lunchboxen geöffnet) was zu essen mitnehmen oder unterwegs schnell etwas kaufen.