Familienhierarchie: Wer hat das Sagen?

Durch den Korea-Reise-Knigge wisst ihr ja bereits so einiges über die Benimmregeln in Korea. Nun geht es aber im Detail darum, wie es mit der Familienhierarchie wirklich aussieht. Wer hat hier das Sagen, wer muss sich unterordnen? Und steht es zwischen Geschwistern hier, wie man es auch aus der westlichen Welt kennt?

Stellen wir zunächst einmal klar, wie das Durchschnittsverhältnis bei uns ist. Eine Familienhierarchie in dem Sinn gibt es hier kaum. Selten verlassen sich die Eltern darauf, dass die Kinder später einmal für sie sorgen, wenn sie denn älter werden. Das liegt zum größten Teil natürlich daran, dass wir uns sehr stark auf dem Sozialsystem stützen. Einrichtungen zum betreuten Wohnen übernehmen einmal das, wozu wir selbst nicht mehr in der Lage sind. Kein allzu schöner Gedanke, wenn man ihn jetzt einmal so vor seinem geistigen Auge hat – aber trotzdem Teil unserer Gesellschaft. Bis dahin sind aber die Eltern natürlich für die Kinder verantwortlich. Sie sorgen für sie, bis sie alt genug sind und stehen ihnen stets mit Rat und Tat zur Seite.

Nun vergleichen wir dieses Familienbild mit dem aus Korea. Vom Konfuzianismus geprägt verbindet Eltern und ihre Kinder natürlich ein inniges Band der Liebe. Schon von klein auf bekommen Koreaner beigebracht, dass nichts wichtiger ist, als die Familie. Das Konzept, dass die älteren Verwandten nicht mehr auf einen zurückkommen, weil sie einem schlichtweg nicht zur Last fallen wollen, kennt man hier gar nicht. Während man sich hierzulande oft über Menschen lustig macht, die noch bei ihren Eltern wohnen, ist es in Korea umgekehrt. Hier wohnen die Eltern später einmal bei ihren Kindern, die nun für sie sorgen, da sie berufstätig sind. Aber dazu gleich mehr. Erst müssen wir dort beginnen, wo die Familiengründung überhaupt beginnt.

Mann und Frau – ein Herz und eine Seele bis in alle Ewigkeit

Südkorea hat eine sehr aktivie Bewegung, was Feminismus und Gleichberechtigung angeht. Vor allem die jüngsten Generationen sind diesen Themen gegenüber sehr aufgeschlossen und legen immer stärker ab, was ihnen durch die konfuzianistische Lebensweise oft beigebracht wird. Nicht zuletzt die #MeToo Bewegung hat hier eine Menge damit zu tun. Die Betreiber des YouTube Kanals Asian Boss haben hierzu eine Umfrage gestartet und die Antworten sind sehr überraschend:

Interessant ist bei diesem Thema vor allem, Themen, wie der Gehaltsunterschied zwischen den beiden Geschlechtern hier eine große Rolle spielen. Frauen haben es im Arbeitsleben oft ziemlich schwer, denn die Familiengründung steht bei Koreanern oft an sehr hoher Stelle. Obwohl Frauen oft einen Schulabschluss anstreben und sich dabei ebenso um Plätze an Eliteuniversitäten bemühen, widmen sie sich später der Kindererziehung und beenden zu diesem Zeitpunkt dann meist ihren Beruf.

In der koreanischen Gesellschaft trägt aber auch der Mann eine feste Rolle. Er hat für seine Familie zu sorgen – aber nicht nur finanziell. Da er dem starken Geschlecht angehört, muss er seine Frau beschützen. Dazu gehören auch scheinbar banale Dinge, wie etwa das Laufen an der Straßenseite auf dem Bürgersteig, um eine Barriere zur Frau und den Autos darzustellen. Aber er wird auch zum Gentleman für seine Frau, gibt ihr seine Jacke, seinen Schal und trägt ihre Tasche.

Hotel Mama bis zur Verlobung – nicht ungewöhnlich!

Häufig leben Koreaner noch bis zu ihrem 30. Lebensjahr bei ihren Eltern. Eine eigene Wohnung beziehen diejenigen nur, wenn es nicht aus beruflichen Gründen notwendig ist – wie man es etwa von Idols kennt. Gelegenheiten, um sich das Bett zu teilen, gibt es daher für solche Personen kaum welche. Daher wartet dann in den Flitterwochen auch auf Jeju Island der Love Land Themenpark, um sie entsprechend über Sexualität aufzuklären. Wobei die jüngsten Generationen auch in diesen Themen immer offener und aufgeklärter werden, was nicht zuletzt durch den starken Einfluss der westlichen Welt passiert.

Grundsätzlich aber unterscheiden Koreaner zwischen Partnern, die sie einfach kurzzeitig daten (der Kontakt bricht dann oft auch ganz überraschend ab) und solchen, mit denen sie es wirklich ernst meinen. Die stellen sie dann ihren Eltern vor. Deren Segen dafür ist nämlich so wichtig, dass er einer Erlaubnis gleichkommt. Sind die Eltern mit einer Beziehung nicht einverstanden, hat sie auch keine Zukunft. Daher werden die Familien beider Seiten einander auch erst dann vorgestellt, wenn es wirklich wichtig wird.

Das Kind steht in Korea in der Schuld der Eltern

Gründen Mann und Frau später eine Familie, so entsteht eine Schuld gegenüber diesen beiden. Das Kind hat ihnen sein Leben zu verdanken und wurde zumeist von ihnen erzogen. Die dabei entstehende lebenslange Schuld zieht sich selbst bis in den Tod der Elternteile. Für gewöhnlich ist es der erstgeborene Sohn einer Familie, der für die Eltern sorgen muss. Nicht selten passiert es dann ebendiesem, dass er weiter mit seinen Eltern unter einem Dach wohnen würde, weil es einfach günstiger wäre. Außer, er kann es sich leisten, ihnen ein eigenes Dach über dem Kopf zu finanzieren. Da die Großeltern aber oft auch bei der Kindererziehung helfen, hat diese Situation Vorteile für alle Generationen.

Die zuvor erwähnte Schuld wird aber auch dadurch weiter abgearbeitet, dass man sich später um das Familiengrab kümmert und man ihnen zu Ehren an Todes- und Feiertagen die in der Kultur verankerten und dafür vorgesehenen Rituale abhält. Auch zählt zum Abarbeiten dieser Schuld, dass man die Linie weiterführt und eigene Kinder zeugt.

Im Koreanischen Volksglauben betrifft das Leben nicht bloß die Geburt und den Tod. Man lebt als Teil seiner Familie, einer Blutslinie sozusagen, die man fortführt und in sich trägt. Viele Koreaner glauben daran, dass ihr Geist in ihren Nachkommen weiterleben wird.

Familenhierarchie in Korea – wer hat nun das Sagen?

An erster Stelle befindet sich immer der Vater und Ehemann. Er ist das Familienoberhaupt, trifft oft die wichtigen Entscheidungen und sorgt für die Familie. Er und der älteste Sohn in der Familie erhalten den höchsten Respekt. Denn dieser tritt später in seine Fußstapfen und übernimmt die Rolle des Versorgers, wenn sich alles umkehrt.

Die Ehefrau eines ältesten Sohnes kümmert sich um seine Eltern. Denn er wird arbeiten und damit die Familie wieder finanzieren. Zudem ist es die Aufgabe der Frau, den Haushalt zu führen und die Kinder zu erziehen. Ein Grund, weshalb ihr die Schwiegermutter dabei oft zur Seite stehen wird, wenn sie gemeinsam unter einem Dach leben.

Familienstrukturen werden immer moderner

Während es unumstritten nach wie vor die Aufgabe der Ältesten ist, sich um die Eltern zu kümmern, wird die Rolle der Frau immer moderner. Es gibt natürlich kinderlose Ehen, in denen auch beide ganz normal arbeiten gehen. Die Normalität ist das trotzdem nicht. Allerdings gibt es keinen Zwang für die Frau, zur Hausfrau zu werden. Das tun sie meist aus freien Stücken – oder weil es ihnen durch ihre Erziehung so beigebracht worden ist.