Es geschah am 29. Juni 1995. Im Stadtbezirk Seocho-gu von Seoul stürzte völlig unerwartet der Nordflügel des Sampoong-Gebäudes innerhalb weniger Sekunden zusammen. 501 Menschen kamen bei diesem Ereignis ums Leben, 937 wurden gering bis schwer verletzt und insgesamt 6 Personen wurden als vermisst gemeldet. Aber wie war es überhaupt zu diesem Ereignis gekommen?
Eigentlich war da mal eine Müllkippe, wo sich später das massive Gebäude befand. Und eigentlich sollte es nur vier Stockwerke hoch sein. Was jedoch zunächst ein Bürokomplex werden sollte, wurde durch den Firmenvorsitzenden und späteren Eigentümer Lee Jun völlig umgeworfen. Er entschied sich um, änderte noch während der Planungsphase das Projekt und machte ein Einkaufszentrum daraus. Klingt eigentlich noch nicht nach einem großen Problem, aber seine weiteren Entscheidungen waren verheerend.
Statt tragender Pfeiler lieber Fahrtreppen
Ein Einkaufszentrum benötigt komfortable Transportmöglichkeiten in die oberen Stockwerke. Lee ließ einige wichtige, tragende Pfeiler zugunsten von Rolltreppen streichen.
Die damals beauftragte Baufirma weigerte sich, das so umzusetzen, da sie die Sicherheitsrisiken erkannte. Also entzog er ihnen den Bauauftrag und ließ das Gebäude nunmehr von seiner höchsteigenen Baufirma erreichten.
Gegen Ende 1989 wurden die Bauarbeiten fertiggestellt. Lee erfreute sich an einem massiven Gebäudekomplex, der in einen Nord- und einen Südflügel unterteilt war. Dazwischen gab es ein Atrium, also einen prächtigen Innenhof. Vier Untergeschosse dienten als Parkflächen und auch die Technikräume wurden dort aufgebaut. Während im Südflügel des Gebäudes verschiedene Sport- und Freizeiteinrichtungen eingesiedelt wurden, erstreckte sich im Nordflügel das Sampoong-Warenhaus. Es eröffnete noch im Juli 1990 seine Türen und erfreute sich sofort an großer Beliebtheit.
Beängstigende Menschenmassen und ein fünftes Stockwerk
Rund 40.000 Menschen aus den umliegenden Gebieten, die von wohlhabenden Koreaner bewohnt wurden, strömten jeden Tag durch die Pforten des Einkaufszentrums.
Lee wollte das Potential voll ausschöpfen und ließ nur wenige Monate später ein fünftes Stockwerk dazubauen. Zunächst hätte hier eine Rollschuhbahn einziehen sollen, aber später eröffneten hier acht Restaurants.
Auch hier wieder dieselbe Problematik: Ein Unternehmen riet Lee, das Stockwerk wegzulassen, da die Statik das nicht mitmachen würde. Er entzog den Fall und gab ihn an seine eigene Baufirma ab.
Als später noch eine Fußbodenheizung und Klimaanlagen hinzukamen, wurde das zunächst von den Unternehmen errechnete Belastungslimit um das ganze Vierfache überschritten.
Es dauerte überraschend lange, bis sich die ersten Anzeichen für den lebensgefährlichen Einsturz zu zeigen begannen; im April 1995 gab es erste Risse im fünften Stock, im Nordflügel des Einkaufszentrums. Geschäfte aus dieser Zone wurden ins Untergeschoss verlegt, um dem entgegenzuwirken.
Erste Anzeichen des Einsturzes wurden 1995 festgestellt
Einige Tage, bevor das Gebäude am 29. Juni 1995 einstürzte, musste eine Gasleitung wieder abgedichtet werden. Dabei beschädigte man wohl eine Wasserleitung. Eine Restaurantbesucherin wurde völlig durchnässt.
Bis zum Einsturztag nahmen die Risse deutlich zu. Angestellte berichteten von verzogenen Decken und bröckelndem Putz aus dem obersten Stockwerk. Schließlich waren erste Knallgeräusche zu vernehmen, als die Klimaeinlage durch ihre Vibrationen so große Risse in den fünfsten Stock zog, dass die Traglast einfach zu viel wurde.
Bereits wenige Minuten nach dem Einsturz waren Ersthelfer zur Stelle. Da sich der Einsturz knapp vor 18 Uhr ereignete, kamen die Rettungskräfte direkt in den Berufsverkehr – was in Seoul schnell zu minutenlangen Staus führen kann. Der Abtransport der Verletzten gestaltete sich auch dementsprechend schwierig. Eine Bergwerk-Rettungsmannschaft wurde zur Unterstützung nach Seoul geholt, um die Bergungsmaßnahmen schneller voranzutreiben. Rund 15 Kräne wurden zusätzlich dazu eingesetzt, die Trümmer zu beseitigen. Hinzu kamen mehrere Gabelstapler.
Zwei Tage lang dauerte die Bergung möglicher Überlebender an, dann gab man jede Hoffnung auf den Fund weiterer Personen auf. Aber noch weitere Tage später wurden zum Teil nur sehr leicht verletzte Personen geborgen, die sich in Hohlräume hatten flüchten können. Der letzte Überlebende wurde am 16. Juli 1995 geborgen: Es war die Angestellte Park Seunghyun.
Grobe Fahrlässigkeit und Bestechung
Zehneinhalb Jahre Haft war das Urteil, mit dem der damals 73-jährige Lee Jun konfrontiert wurde. Der Vorwurf ging in Richtung Fahrlässigkeit und Bestechung. Auch sein Sohn Lee Hansang, Warenhauschef, wurde aus denselben Gründen zu sieben Jahren Haft verurteilt.
Weiterhin wurden zwölf städtische Beamte wegen Bestechlichkeit, Verheimlichung illegaler Änderungen und schlechter Gebäudekonstruktion für schuldig befunden. Auch für sie sprach das Gericht Freiheitsstrafen aus. Auch mussten sich verschiedene Führungskräfte des Warenhauses, sowie mit dem Bau betraute Personen vor Gericht verantworten.