Die Festung Hanseong und deren acht Tore

Der Kern der südkoreanischen Hauptstadt liegt direkt zwischen den Bergen Bugak und Namsan. Früher war sie unter vielen verschiedenen Namen bekannt. Was man heute also als Seoul kennt, trug früher die Namen Wiryeseong während Baekje, Hanyang zur Zeit Sillas sowie auch Namgyeong  und Hanseong während der Joseon-Zeit. Zur letzteren war die Stadt von einer rund 17 Kilometer langen Stadtmauer umgeben, die wiederum durch acht verschiedene Stadttore zugänglich war. Diese wurden nach den vier Himmelsrichtungen ausgerichtet, so gab es vier große und vier kleinere Tore.

Wer bei seiner Koreareise einen Ausflug in diese alte Festung wagt, wird schnell feststellen, dass sie eine große kulturelle Oase inmitten in modernster Stadtlandschaft darstellt. Allerdings ist man seitens der Stadtverwaltung sehr bemüht darum, die umliegenden Bauten nicht höher als die Palastgebäude zu errichten. Denn einst sollte es dem Volk verwehrt bleiben, in den Palast hineinblicken zu können. Allerdings hat sich dieser Vorsatz nicht vollständig umsetzen lassen.

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Die acht Tore heute

Bis zur heutigen Zeit wurden drei der acht Tore vollständig zerstört. Das betrifft die beiden Westtore und das kleine Osttor. Als das schönste gilt das im Jahr 1869 rekonstruierte große Osttor, das mehrere reich verzierte hölzerne Bauelemente aufweist, die für die damalige Zeit typisch waren. Es erhielt auch den Beinamen Tor der erhabenen Güte. An dieses angeschlossen ist eine halbmondförmige Wehrmauer.

Das einzige Tor, welches sich seit seiner Gründungszeit vollständig erhalten konnte, ist das große Südtor. Dieses wiederum trägt den Titel Tor der erhabenen Zeremonien und gilt heute als koreanischer Nationalschatz und Nr. 1.

In Korea sind die Nationalschätze namentlich durchnummeriert.

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Jedem dieser Tore kam eine bestimmte Funktion zu:

  • Unter ausländischen Gesandtschaften war es nur den chinesischen erlaubt, das große Südtor zu passieren. Jene aus Japan mussten hingegen das kleine Südtor benutzen, während die Gäste aus der Mongolei nur durch das kleine aus Tor die Hauptstadt betreten durften.
  • Das kleine Süd- und das kleine Westtor wurden darüber hinaus zu damaligen Zeit auch als Leichentor bezeichnet, weil die Verstorbenen oder die zum Tode Verurteilten nur durch diese bewegt werden durften. Man nannte sie daher auch Tore ins Jenseits.
  • Das Nordtor diente als Tor des ehrerbietigen Friedens als Fluchttor des Königs, sollte es zu Notzeiten kommen. Andernfalls bleibt dieses als einzige stets geschlossen.

Diese Vorgaben gründeten auf der Lehre der Geomantie. Würde man nach dieser zum Beispiel das Nordtor offenlassen, so hieß es, würden negative Kräfte in das Königreich hineindringend. Diese könnten die Frauen beeinflussen, ein unmoralisches Leben zu führen.

Man glaubte damals, das vorbildliche Verhalten der Frauen, das so aussah, dass sie gemäß konfuzianische Ethik gegenüber ihren Ehegatten treu und Gehorsam blieben, nur dem geschlossen Nordtor zu verdanken sei.

Allerdings gab es Situationen, in denen es geöffnet wurde. Dann wurde statt dem Nordtor, dass man dann offenließ, das Südtor geschlossen. So etwa, wenn es eine große Dürre im Land gab. Durch diese Zeremonie wollte man um Regen bitten, da indem man nicht die Energie, welche die Sonne symbolisierte, sondern ihren Gegensatz und damit den Regen herbeirief.

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Die große Bronzeglocke

Inmitten der Festung befand sich eine große Bronzeglocke, deren Gewicht rund 19 Tonnen betrug und die heute im Nationalmuseum aufbewahrt wird.

Sobald es eine Kriegsandrohung oder andere prekäre Situationen gab, wurde automatisch eine Ausgangssperre über die gesamte Festung verhängt.

Darüber hinaus gab es jeden Tag Aus- und Eingangssperren für die Tore, diese wurden durch die Glockenschläge angekündigt.

Schlug man zum Beispiel um 19 Uhr die Bronzeglocke 28 Mal, blieben alle Tore bis um 4 Uhr morgens geschlossen. Sobald die Tore wieder geöffnet wurden, was mit 33 Glockenschlägen verkündet wurde, war die Hauptstadt voller Menschen und Karren.

Sofern die Stadttore geschlossen waren, herrschte auch innerhalb der Stadtmauern eine Ausgangssperre. Wer sich nicht daran hielt, wurde verhaftet und mit bis zu 30 Schlägen bestraft. Während Männer diese auf die nackte Haut bekamen, wurden Frauen auf ihre Kleidung geschlagen. Je später die Stunde, zu der sie erwischt wurden, desto höher war auch die Anzahl der Schläge.

Es war im Übrigen der Bezirk, den man heute als Jongno kennt, in dem die Glocke aufgebaut war.

Die heute bekannte Bosingak befindet sich in einer zweistöckigen Halle, die im Jahr 1979 rekonstruiert wurde. Gegossen wurde sie anlässlich des 40-jährigen Jubiläums der Befreiung von der japanischen Besatzung.